Philipp und Tobi wachsen als Geschwister in der sächsischen Provinz auf. Ihr Alltag ist geprägt von Perspektivlosigkeit und dem Zerfall ihrer Familie. Als in ihrem Heimatort ein Heim für geflüchtete Menschen entstehen soll, verändert sich ihr Leben drastisch.
Gespräch nach dem Film mit Regisseurin Constanze Klaue

Mit der Faust in die Welt schlagen
Regie: Constanze Klaue, Deutschland 2025 - Literaturverfilmung nach dem gleichnamigen Roman von Lukas Rietzschel
Gespräch nach dem Film mit Regisseurin Constanze Klaue
Um die Jahrtausendwende, mitten in der ostdeutschen Provinz. Hier wachsen die Brüder Philipp (12) undTobias (9) Zschornack auf. Anfangs scheint mit dem Hausbau der Eltern alles im Wachstum zu sein, dochals der hagere Uwe auf der Baustelle zur Hilfe kommt, erleidet das Familienglück erste Risse. Den Kindernist der Mann nicht geheuer. Unfreiwillig machen sie sich ein Bild eines abstürzenden Lebens –nichtsahnend, dass ihnen ein ähnliches Schicksal drohen wird.Dann ist Uwe tot und die Gründe scheinen immer die gleichen: zu viel Alkohol, keine Arbeit und eine DDR-Vergangenheit, von der man sich nicht befreien kann.Mit dem Einzug in das noch unfertige Haus ist der Höhepunkt der Familie erreicht. Der Vater verliertseinen Job, während die Mutter versucht, die Dinge weiter am Laufen zu halten. Das Haus, das einstFreiheit versprach, wird zur ewigen Baustelle, die sich auf das Leben aller überträgt. Mitten darin Tobi undPhilipp, alleingelassen mit sich selbst, ohne Orientierung, Halt oder eine Idee von Zukunft.Die Kindheit der Brüder ist geprägt von einem endlos monotonen Alltag, in dem nicht nur die Frustrationder Erwachsenen jederzeit spürbar ist, sondern auch die eigenen ungestillten Bedürfnisse nachFamilienzusammenhalt und Anerkennung.Im Gegensatz zu dieser häuslichen und familiären Enge scheint die Landschaft grenzenlos. EndloseWälder, gelbe Rapsfelder und das türkisblaue Wasser der Steinbrüche, in die man springen kann, um derLangeweile für einen Moment zu entkommen. Die Natur wird zum Rückzugsort in einem Leben, in dem esansonsten wenig Lichtblicke und Vorbilder gibt. Die Eltern sind es nicht, und die Lehrer, die hilflos zusehen,wie sich rechtes Gedankengut unaufhaltsam in den Köpfen der Kinder verbreitet, auch nicht.Bleiben am Ende nur noch die älteren Jungs in ihren tiefergelegten VWs, die Abenteuer versprechen, aberGewalt und Fremdenhass meinen. Ihnen schließt sich zuerst Philipp an. Zum ersten Mal spürt er ein Gefühlvon Ekstase, Sinn und Zugehörigkeit, auch wenn dafür moralische und gesetzliche Grenzen übergangenwerden.Mit der Trennung der Eltern spitzt sich die Situation für die Brüder immer weiter zu. Nach Jahren desZerfalls soll in der alten Schule ein Flüchtlingsheim entstehen. Während sich Philipp längst zurückgezogenhat, ist es gerade der jüngere Tobi, der den scheinbar bedrohlichen Veränderungen den Kampf ansagt.
Das kraftvolle Spielfilmdebüt der Regisseurin Constanze Klaue erzählt aus derPerspektive zweier Brüder ein berührendes Familiendrama in der ostdeutschenProvinz.Ein großartiges Ensemble zeigt, wie die Umwälzungen der Nachwendezeit für diejugendlichen Protagonist*innen, wie auch für ihre Elterngeneration in all ihrer Härtenachhallen. Es nimmt das Publikum mit auf eine Reise in eine von politischenSpannungen geprägte Zeit, die sich dennoch intensiv gegenwärtig und brennendaktuell anfühlt. Einfühlsam findet Constanze Klaue aus dem Inneren ihrer Figurenheraus eine Sprache für die Wut und Entfremdung derjenigen, bei denen die großenVersprechen der Zukunft nicht ankommen wollten. Sie begegnet ihren Figuren dabeiauf Augenhöhe und zeichnet ein ungeschöntes und detailreiches Generationenporträtin einem von Perspektivlosigkeit und Radikalisierung geprägten Umfeld, dasstellvertretend für zahlreiche Orte dieser Welt steht.Der gleichnamige Bestseller des Görlitzer Autors Lukas Rietzschel, auf dem der Filmfrei basiert, wurde vom Spiegel als „Buch der Stunde“ zur sogenanntenFlüchtlingskrise gefeiert.
MIT DER FAUST IN DIE WELT SCHLAGEN feiert seine Weltpremiere 2025 in der SektionPerspectives der Berlinale und startet am 03. April 2025 bundesweit in den Kinos.