Gerhard Gundermann – Rockpoet und Liedermacher aus Hoyerswerda

Wer war Gerhard Gundermann?

Es gibt Musiker, die sind ihrer Zeit so weit voraus, dass ihre Leistung erst nach dem Tod richtig erkannt wird. Gerhard „Gundi“ Gundermann gehört zweifellos dazu. In der DDR von der Parteiführung ausgegrenzt und im vereinten Deutschland von den Medien ignoriert, starb er bereits mit 43 Jahren. Gundi hinterließ mehr als 300 wunderschöne Songs und zahlreiche bemerkenswerte Liedtheaterstücke und zählt zu den wichtigsten Liedrockpoeten Deutschlands.

1955 in der Dichterstadt Weimar geboren, zog er mit seinen Eltern nach Hoyerswerda, dem Zentrum des Lausitzer Kohlereviers zwischen Dresden und Cottbus. In der Schule schloss er sich dem Singeklub der Stadt an, schrieb erste eigene Songs. 1978 entstand daraus das „Liedtheater Brigade Feuerstein“, welches in den achtziger Jahren mit phantasievollen Liedern und szenischen Programmen, Lehrstücken, Märchen und Zirkusauftritten Maßstäbe für eine alternative Musikkultur setzte. Gundi wollte eine andere, bessere DDR und warnte vor dem Kapitalismus. Zeitweise ließ er sich mit der Staatsmacht ein, beendete diese Zusammenarbeit aber durch eigenes Handeln. Staats- und Parteiführung erkannten seine Kreativität nicht und schlossen ihn aus der SED aus.

Seit den 70er Jahren arbeitete Gundi als Baggerfahrer im Braunkohlentagebau. Diese Arbeit lieferte ihm die Ideen für seine Songs und Stücke, die sich oft mit dem Leben der einfachen Menschen, Umweltproblemen und seiner Heimatstadt Hoyerswerda („Hier bin ich geborn“, „Hoywoy“) beschäftigten. 1988 trennte er sich von den „Feuersteinen“ und begann eine Solokarriere. Er ließ sich von der Band des „Oktoberklubs“ und später den „Wilderern“ begleiten oder trat solo auf. Für eine der herausragenden DDR-Rockbands, „Silly“, schrieb er Liedtexte und mischte sich in der Wendezeit 89/90 in die Ereignisse des politischen Umbruchs. 1992 gründete er seine Band mit dem politisch provokanten Namen „Seilschaft".

Gundis Konzerte erregten – vor allem im Osten Deutschlands – zunehmend Aufsehen, seine CDs verkauften sich als Geheimtipp gut, obwohl er von den Medien nicht beachtet wurde. Mit der Seilschaft spielte er als Support bei Konzerten von Bob Dylan und Joan Baez. Ungewöhnlich war dabei die Tatsache, dass er noch immer parallel dazu als Baggerfahrer arbeitete und sich von Profi-Musikern begleiten ließ. Er tat das bewusst, um Texte zu singen, die unabhängig von den Vorgaben der Musikindustrie waren. 1997 wurde aber auch er arbeitslos wie Tausende vor ihm. Die Realität hatte ihn eingeholt und die jahrelange Doppelbelastung durch Schichtarbeit und Konzerte forderten ihren Tribut. Am 21.6.1998 starb er völlig unerwartet und wurde wenig später auf dem Waldfriedhof Hoyerswerda beerdigt. Eine Woche vor seinem Tod noch war er zum letzten Mal in der Kulturfabrik Hoyerswerda (am Markt) zu „20 Jahre Brigade Feuerstein“ aufgetreten.

Geblieben sind den zahllosen Fans seine einzigartigen Lieder voller Kraft und Poesie, voller Allegorien, Utopien und Nachdenklichkeit. Gundi war ein streitbarer Querdenker, der in kein gesellschaftliches System passte, weder in den DDR-Sozialismus noch in das jetzige. Stets stand er auf der Seite der Verlierer, der einfachen Menschen. Der Sänger Heiner Kondschak aus Tübingen sagte einmal: „Diese Lieder knallen wie eine Bombe in den Bauch. Die haben eine Kraft, die unbeschreiblich ist… Ich fragte mich: Woher weiß der das von dir?“
Reinhard „Pfeffi“ Ständer, Hoyerswerda